Der Donut: Instrumente für die Praxis und für Sensibilisierungsworkshops

„Nachhaltige Zukunftsstädte und Gemeinden“ (IV)

Wir stellten im letzten Blog die wesentlichen Aspekte des Donuts von Kate Raworth vor. Aber wie können wir die Perspektive dieses Ansatzes in die Praxis einbringen? Wie können wir Regionen und andere Standorte erfolgreich in Richtung einer Donut-Wirtschaft umgestalten?  Wie motivieren wir Menschen, Organisationen und politische Akteure in Städten und Gemeinden, sich auf neue Suchprozesse zu begeben und neue Perspektiven zu entwickeln? Wie kann die Praxis mit neuen konkreten Maßnahmen befruchtet werden, die auch neue Experimente zulässt? 

Der Donut wurde bereits in vielen Städten als Strategieinstrument genutzt. Hier hat das Doughnut Economics Action Lab (DEAL), und die ins Leben gerufene Thriving Cities Initiative (TCI) einen wichtigen Beitrag geleistet. Die TCI ist eine Zusammenarbeit zwischen C40 Cities, Doughnut Economics Action Lab und Circle Economy mit dem Ziel, gerechtere und nachhaltigere Lebensräume für Menschen lokal und global zu schaffen. Das Netzwerk wurde von Raworth und Praktikern als Austauschplattform gegründet, um gemeinsam Instrumente für die Initiierung und Einführung konkreter Umsetzungserfahrungen auf lokaler Ebene zu entwickeln.

Zwei Instrumente für neue Fragestellungen und Lösungsansätze

Im Folgenden stellen wir zwei Instrumente vor, beispielhaft für weitere Instrumente, die neue Fragen und Lösungsansätze für Städte und Gemeinden ermöglichen. Sie fördern neues Denken und Innovationsansätze über den traditionellen Tellerrand hinaus und bieten die Möglichkeit, direkt in Interviews und Workshops angewandt zu werden. Wir stellen die beiden Instrumente und ihre Fragestellungen hier kurz vor. Es handelt sich um a) das Vier-Perspektiven-„City-Portrait“ und b) das „3 Horizonten-Modell“.  

Das („Donut“-) City-Portrait

Das“City-Portrait“ reflektiert mit lokalen Akteuren zu vier Fragen, die in einer 4-Perspektiven-Matrix strukturiert sind (siehe Grafik unten). Das Ziel ist es, konkrete Maßnahmen auszuarbeiten, um in dem Ort als aber auch global die Lebensqualität und das ökologische Gleichgewicht zu verbessern.

City Portrait (eigene Übersetzung und sprachliche Anpassung)

Es wird gefragt, welchen aktiven Beitrag und welche wirkliche Verantwortung die Menschen, Unternehmen, Organisationen und Politik in der Stadt leisten können, damit lokal als auch global das Wohlergehen von Menschen verbessert und die planetaren Grenzen des Wachstums eingehalten werden. Mit dieser Perspektive auf die Menschheit oder auf den Planeten wird an die lokale Verantwortung für globale Verhältnisse appeliert und auf die Umsetzung entsprechender lokaler Maßnahmen gesetzt. Damit tauchen neue Themen und Fragen auf, wie zum Beispiel: 

  1. Wieweit tragen die lokalen Wirtschaftssektoren, Betriebe und Produktionsweisen sowie deren Zulieferbeziehungen zur gesunden lokalen und globalen Entwicklung bei? 
  2. Wie steht unser eigener Energie- und Ressourcenverbrauch im Verhältnis zu anderen Orten , ärmeren Menschen und Ländern?  
  3. Was sind dominante Konsummuster vor Ort und deren soziale und ökologische Auswirkungen weltweit?  

Umsetzungsbeispiel Amsterdam und neue Messgrößen von Erfolg

Das DEAL hat dieses Donut-„City Portrait“ im Rahmen von Stadtentwicklungsprozessen schon in vielen Städten ausgearbeitet. Städte wie u.a. Amsterdam erarbeiteten in einem partizipativen Prozess entlang der vier Felder Interventionen und zugeordnete Projekte. Im Unterschied zu traditionellen Indikatoren wie Wachstum, Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit, werden hier andere Erfolgskriterien gemessen: Gesundheit, Inklusion, lebenswertes Einkommen, Gemeinwohl, Mobilität, Mitbestimmung und Mitgestaltung  stehen unter anderem als wesentliche Entwicklungsfaktoren im Zentrum. Ein Beispiel der Vielzahl von Ergebnissen findet sich hier für die Stadt Amsterdam.

Das „City Portrait“ und dessen -Strategieansatz zielt letztlich darauf ab, dass Orte und Stadtregionen ihren Entwicklungsprozess zwischen den beiden Donut-Ringen ausrichten, den Raum, den Kate Raworth als den „sicheren und gerechten Ort für die Menschheit“ bezeichnet. Das Instrument eignet sich auch für kleine Sensibilisierungsworkshops und der Ausarbeitung von Projekten. Anwendungsmöglichkeiten und weitere praktische Informationen für die Anwendung finden sich am Ende des Blogs (siehe „Weitere Informationen und Links“).

Das „Drei Horizonte-Modell“

Ein zweites Instrument, dass wir hier vorstellen, ist das 3-Horizonte-Modell von Bill Sharpe*. Es soll dabei unterstützen, die Transformation hin zu einer innovativen und nachhaltigeren Entwicklung zu unterstützen. Ziel ist es, traditionelle Denk-, Handlungs- und Produktionspfade mit negativen klimatischen und sozialen Auswirkungen („Business as Usual“-Horizont 1, H1) zu erkennen und zu überwinden sowie neue innovative Pfade, die zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen, zu stärken („Viable Future“-Horizont 3, H3). Die Transformation gelingt jedoch nicht radikal, sondern schrittweise. Eine wichtige Brückenrolle nimmt hier die Ausrichtung und Förderung von zukünftigen Innovationsentwicklungen ein (Horizont 2, H2). Sie können den „Business as usual“-Prozess  von Unternehmen und Gesellschaften entweder in die Länge ziehen (H2-) oder aber im disruptivem Sinne einen Beitrag zur notwendigen Neuausrichtung (H2+) leisten. 

„Wie lässt sich ein innovativer und grüner Transformationsprozess in einem lokalen Wirtschaftssektor oder einer Kommune analysieren und unterstützen?“, könnte die Frage für einen Workshop mit ausgewählten Akteuren sein.

The Horizon model by Bill Sharpe and the three basic questions

Kate Raworth stellt einen möglichen Workshop-Ansatz mit dem Modell von Bill Sharpe in einem Internet-Video dar. Sie benennt dabei drei wesentliche Fragen für einen Wandelprozess, die auch in einem Workshop verwandt werden können: 

  1. Was entsteht an neuen, zukunftsorientierten und nachhaltigen Ansätzen und wie können wir diese unterstützen?  
  2. Was sind alte Pfade, die nicht nachhaltig oder gar zerstörerisch sind und die losgelassen werden müssen? 
  3. Was sind neue Innovationen, die einen zukunftsorientierten Entwicklungsprozess (H2+) statt den traditionellen Entwicklungspfad (H2-) stärken?

Kate Raworth führt in ihrer Videoerläuterung eine weitere Liste von Fragen auf, die für einen tieferen und ausführlicheren Analyseansatz hilfreich sind. (Box). Die kurze wie die lange Liste von Fragen können für Workshops sehr gut herangezogen und sowohl auf Wirtschaftszweige als auch auf gesellschaftliche Entwicklungstrends angewandt werden.  

More detailed questions for analysis and reflection (above and below)

Experimentieren Sie mit den Instrumenten und berichten Sie uns!

Beide hier vorgestellten Instrumente bringen aus unserer Sicht neue Perspektiven in die Reflexion zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Sie können so auch neue Lösungspfade und Experimente initiieren. Probieren Sie sie aus uind berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen. 

Autoren: Frank Wältring und Guido Zakrzewski

Weitere Informationen und Links (Englisch)

The Thriving City Initiative (TCI) is a collaboration between C40 CitiesDoughnut Economics Action Lab and Circle Economy striving to create more equitable, sustainable and resilient places for people to live. 

A Youtube Video by Kate Raworth where she describes the City Portrait approach

The City Portrait Canvas Guide with materials, templates and video description for using it in workshops

City Portrait results from Amsterdam

Blog post by Duncan Green on the TCI initiative and the DEAL

The 3 Horizon model

Three Horizons, The Patterning of Hope, by Bill Sharpe (as the developer of the tool and approach) – Ebook link

A video introduction to the Three Horizons by Kate Raworth:

A video with Bill Sharpe where he explains the approach and the status himself.

A very good publication and description of the approach´s transformational character: Transformative Innovation, A Guide to Practice and Policy, by Graham Leicester (the first chapter can be read here for free)

For use of the instrument in workshops and real practice visit the Practice Centre web page with more information on the tool and on transformative innovation.

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